about…

 

Die Holzarbeiten von Andrea Halm entstehen nicht aus dem, sondern fast gegen das Material. Nicht der visuelle oder haptische Kontakt mit dem Apfel-, Pappel- oder Lindenholz steht am Beginn des Entstehungsprozesses, sondern Skizzen auf Papier. Die dort entwickelte Figur wird dann mit der Kettensäge in das Material hineinberserkert. „Das Holz muss sich nach mir richten“, formuliert die Künstlerin selbst.
Die vor dem inneren Auge präsente Figur erfährt während dieses Prozesses aber durchaus Veränderungen. Im Dialog zwischen der Bildhauerin und dem von ihr erschaffenen Phantasiewesen gewinnt dieses seinen individuellen Charakter.

Im Grenzbereich zwischen Pflanze, Tier und Mensch entstehen bewegte und bewegende Gestalten, bei denen überbetonte Sinnesorgane, etwa wulstige Münder oder tentakelartige Augen, erheblich zur sinnlichen Ausstrahlung beitragen. Diese wird noch durch einen poppig-bunten Anstrich der geglätteten Oberflächen intensiviert.
Diese lösen sich so als Schale von einem in lichtabsorbierendem Schwarz gefassten Kern. Dessen vielfache Durchbrechungen sorgen für eine enge Verzahnung von Volumen und umgebendem Raum.
Zudem wird das Ausgangsvolumen des Werkstückes durch zahlreiche Durchbrüche und Löcher auf ein Gerüst verschlungener Linien reduziert. Ihre kurvierten und knickenden Verläufe tragen zur expressiven Dynamik der Figuren bei. Diese erinnern zum einen an jene Kunst- und Kultgegenstände primitiver, exotischer Kulturen, die schon die Künstler der Klassischen Moderne inspiriert hatten. Zum anderen versetzt uns ihre polychrome Poppigkeit in die ästhetische Welt der Comics oder der Werbung.

Der individuelle Charakter der Figuren wird dann kongenial durch den Bruder der Künstlerin, Jochen Maier, konkretisiert. Die von ihm teils zu Gruppen geordneten Einzelfiguren erhalten ihrer Individualität entsprechende Namen, die dann ihrerseits Teil einer lyrischen Visitenkarte werden. Zunächst Ergebnis künstlerischer Inspiration werden die Figuren somit ihrerseits Quelle derselben. Phantasiegestalten als Phantasieanreger.

 

Zitat aus der Rede von Markus Golser, Kunsthistoriker,
bei der Ausstellung SkuBi in der Kulturmühle Rechberghausen 2018

Andrea Halm

 

aha, aha – reingesägt – die etwas andere Skulptur

„Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“, erkannte schon der bekannte Komiker und Humorist Karl Valentin in seiner typisch ironischen Manier.

Die Holzskulpturen von Andrea Halm wirken komisch, witzig und stechen dem Betrachter schon von Weitem in ihrer grell expressiven Farbigkeit und ihrer enormen Größe ins Auge. Über zwei Meter hohe Lindenstämme, gelegentlich auch Eichen-, Pappel- oder Apfelstämme, mit einem Durchmesser von 30 bis 60 Zentimeter dienen als Ausgangsprodukt, aus dem Andrea Halm ihre Holzarbeiten fertigt. Das ursprüngliche Rohmaterial erfährt seine Formgebung ausschließlich durch Bearbeiten mit verschiedenen Kettensägen mit Curving-Schwertern. Sie traktiert das Holz so lange äußerst brachial, bis die Figur ihrer Vorstellung als Endprodukt übrigbleibt. Anschließend glättet sie einzelne Partien mit der Flex und Schruppscheiben. Dann brennt sie die gesamte Skulptur mit einem Flammenwerfer, so dass sie insgesamt – aller zuletzt verbleibenden vorstehenden Späne befreit – in rußiges Schwarz getaucht erscheint. Schlussendlich bemalt sie ihre Figuren mit grell leuchtenden Farben, die sie aus Pigmenten selbst zusammenmischt.

Am Anfang des Schöpfungsprozesses stehen bei Andrea Halm nicht der haptische Abtastungsablauf und das Begreifen des Holzkörpers, sondern das Aufzeichnen und Skizzieren ihrer Vorstellung von der jeweiligen Figur ihrer freien Fantasie. Dann sägt sie – ihrer Skizze entsprechend – gnadenlos eine ihrer Vorstellung entsprechende Figur in den Stamm. Selbstbewusst erklärt die Künstlerin: „Das Holz muss sich nach mir richten. Allerdings beziehe ich schon mal gelegentlich einen Ast oder eine gewachsene Form in die figürliche Gestaltung mit ein. Die Figur verändert sich geringfügig, während des Sägens.“ Die in der Vorstellung Andrea Halms präsente Figur entwickelt sich also ihrer Fantasie entsprechend, während der Arbeit mit gewissen Modifikationen, sozusagen in einem Zwiegespräch der Künstlerin mit dem von ihr geschaffenen Wesen und gewinnt dadurch am Ende seinen ganz individuellen Charakter aus dieser Auseinandersetzung der fiktiven Vorstellung ihrer Schöpferin mit den Gegebenheiten des Materials. Diese Arbeitsweise erinnert von der Methodik her an die des bedeutendsten Romantikers Caspar David Friedrich, der einst forderte: „Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge siehst dein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, dass es zurückwirke auf andere von außen nach innen. Des Künstlers Gefühl ist sein Gesetz.“

Vom Gefühl der Bildhauerin geleitet, entstehen skurrile dynamische und bewegende Gestalten, die Mischwesen aus Mensch und Tier darstellen, mit Anleihen aus der pflanzlichen Fauna und aus der architektonischen Ornamentik. Übertrieben treten Organe wie riesige Münder, auf Stielen ruhende Augen, aber auch zu Berge stehende Haare und runde, meist durchlöcherte Gliedmaßen zutage, die eine sehr sinnliche Ausstrahlung befördern, welche noch durch die poppig grellfarbige Bemalung gesteigert wird, welche den schwarz-gerußten, jeden Lichtschein absorbierenden Kern wie ein bunter Mantel zu umhüllen scheint und den Umgebungsraum mit der Plastizität und dem Volumen der Gestalten harmonisch verschmilzt.

Der bedeutende Bildhauer Auguste Rodin erklärte: „Skulptur ist die Kunst der Buckel und Höhlungen, die Kunst, die Formen im Spiel von Licht und Schatten darzustellen.“ Die Plastizität und das Volumen der Figuren Andrea Halms werden durch eingesägte Löcher und Perforationen diaphan durchbrochen, die häufig ein Gerüst aus ineinander verschlungene filigrane Verästelungen übrig lässt und die Gestaltungen soweit reduziert, dass sie leicht und unwirklich exotisch wirken. Der Kunsthistoriker Markus Golser erklärte anlässlich der Ausstellung SkuBi in der Kulturmühle Rechberghausen bereits 2018: „ … wird das Ausgangsvolumen des Werkstückes … auf ein Gerüst verschlungener Linien reduziert. Ihre kurvierten und knickenden Verläufe tragen zur expressiven Dynamik der Figuren bei. Diese erinnern zum einen an jene Kunst- und Kultgegenstände primitiver, exotischer Kulturen, die schon die Künstler der Klassischen Moderne inspiriert hatten. Zum anderen versetzt uns ihre polychrome Poppigkeit in die ästhetische Welt der Comics oder der Werbung.“

Der Einfluss von Comics und der Einsatz der auch in der Werbung verwendeten leuchtenden Farben wird in den neuesten Werken Andrea Halms noch intensiviert, so dass einerseits stilistisch reduzierte, andererseits aber auch klarer strukturierte Figuren entstehen. In der Weiterentwicklung ihrer skulpturalen Gestaltungen ist eine deutliche Fortentwicklung hin zu bewussterer Volumenformgebung ebenso erkennbar wie in der Bemalung der dreidimensionalen Figuren ein klarer Trend zu noch plakativerem expressivem Ausdruck sichtbar ist.

Gesteigert wird die Expressivität und Originalität der Gestalten durch die ebenbürtig wesensgleichen Titel und Beschreibungen, die der Bruder Andrea Halms, Jochen Maier, textlich dazu beiträgt. Er gibt den Figuren ihrer Individualität entsprechende lustig-komisch anmutende Namen, die er durch dazu passende ironisch satirische Texte ergänzt. Die Kombination von Skulptur und Text regt die Fantasie des Betrachters an und lässt uns in leichter und lustiger Art über Charakterzüge und Eigenheiten unserer selbst und unserer Mitmenschen sinnieren. Mit ihren Skulpturen gelingt Andrea Halm die Kreation einer Fantasiewelt ganz im Sinne Fernando Boteros, wenn er offenbart: „Nicht die Abbildung der Wirklichkeit ist das Ziel der Kunst, sondern die Erschaffung einer eigenen Welt.“

In der Entfernung von stofflicher Exaktheit und der Erschaffung fantastischer, leicht wirkender Mischwesen entsteht die für Andrea Halm typische Kunst. Ihr gelingt dies auf eine beeindruckende Art, indem sie uns in leichter Manier einen Spiegel vorhält und uns zum Nachdenken über uns selbst und unser Leben anregt. Friedrich von Schiller bringt dies allgemeingültig auf den Punkt, wenn er schreibt: „Kunst ist die rechte Hand der Natur. Diese hat nur Geschöpfe, jene hat Menschen gemacht.“

 

Helmut H. Schmid, Kunsthistoriker

 

 

Beim Workcamp mit Trott!war

………..Presse……………..

………….making of………………..

REINGESÄGT UND ANGEMALT –
VOM BAUMSTAMM ZUR SKULPTUR…..

ZUERST ENTSTEHT DIE SKULPTUR IM KOPF, DANN ALS GROBE SKIZZE AUF DEM PAPIER. 
MIT VERSCHIEDENEN KETTENSÄGEN SCHNITZE ICH DIE SKULPTUREN MEIST AUS LINDENHOLZ,  ABER AUCH IN EICHE, DOUGLASIE, KIEFER UND PAPPEL WIRD REINGESÄGT.
BEWEGLICHE OHRRINGE UND VERSCHLUNGENE RINGELLOCKEN SIND DABEI EINE BESONDERE HERAUSFORDERUNG. NACH DEM SÄGEN WIRD DIE SKULPTUR MIT DER FLEX BEARBEITET UND ABGEBRANNT. DURCH DIE BEMALUNG WERDEN SIE ZUR PERSÖNLICHKEIT – SIE ALLE HABEN
NAMEN UND DAZUGEHÖRIGE GESCHICHTEN – DIESE SCHREIBT IHNEN MEIN BRUDER JOCHEN MAIER AUF DEN HÖLZERNEN LEIB.
MIT UV-LACK VERSEHEN, WERDEN DIE SKULPTUREN IM FREIEN ZU VOGELVERGRÄMOBJEKTEN.

Instagram

 

Am Anfang steht die Skizze…

 

Skizzeb
making of
Zurück nach oben